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„Weniger Druck bei der Impfung von Kindern täte uns gut!"

Ein Rückblick auf das Gesundheitsforum der Berliner Landesgesundheitskonferenz

"Geimpft, geschützt - Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Gesundheit und den Impfschutz von Kindern und Jugendlichen in Berlin" am 5. Oktober 2021

Inhalt

Einleitung

Video: Grußwort von Martin Matz

Video: Inputbeitrag von Dr. Christian Friedrich

Video: Inputbeitrag von Jakob Maske

Zusammenfassung der Diskussion

Impfungen mit modernen, gut verträglichen Impfstoffen gehören zu den zentralen Errungenschaften der vorbeugenden Medizin. Insbesondere seit Januar 2020 ist zu beobachten, wie schnell sich ein neuer Krankheitserreger weltweit ausbreitet und welchen Beitrag Impfstoffe zum Schutz der Bevölkerung leisten können. 

Kinder und Jugendliche waren und sind über die Erkrankungszahlen hinaus in vielfältiger Weise von der Corona-Pandemie betroffen: Schließung von Kindertagungsstätten und Schulen, Reduktion der privaten Kontakte etc. Diese Maßnahmen haben sich auf die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen teils negativ ausgewirkt. Unter anderem haben Erkrankungen wie Essstörungen und Adipositas während der Pandemie deutlich zugenommen.

Mittlerweile hat sich das Infektionsgeschehen in die mittleren- und jüngeren Altersgruppen verlagert. Seit August 2021 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) den ab 12-Jährigen eine Impfung gegen Corona.

Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt derzeit 15 Standardimpfungen für Säuglinge, Kinder und Jugendliche sowie Erwachsene. Trotzdem sind nach Schätzungen des RKI in Deutschland zwischen 2007 und 2017, ca. 190.000 Menschen an Erkrankungen gestorben, die durch eine Impfung hätten verhindert werden können. Diese Zahlen zeigen deutlich, wie wichtig ein vollständiger und altersentsprechender Impfschutz für jeden Menschen, aber auch für die Gesundheit der Bevölkerung im Allgemeinen ist.

Am 5. Oktober 2021 fand das Gesundheitsforum der Berliner Landesgesundheitskonferenz „Geimpft – geschützt! Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Gesundheit und den Impfschutz von Kindern und Jugendlichen in Berlin“ statt. Dabei wurden neben den Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auch die Impfquoten gegen weitere Krankheiten in den Blick genommen. 

Staatssekretär Martin Matz eröffnete die digitale Veranstaltung und stellte in seinem Grußwort klar heraus: Corona führe eindeutig dazu, dass sich die Bevölkerung so intensiv wie seit vielen Jahren nicht mehr mit dem Thema Impfen beschäftige. Gleichzeitig sei das Thema so polarisierend wie selten zuvor.

Schauen Sie sich hier das Grußwort von Martin Matz auf YouTube an

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Schauen Sie sich den Beitrag von Dr. Christian Friedrich auf YouTube an

Dr. Christian Friedrich von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung Berlin, berichtete über das Vorgehen des Landes Berlin bei der Impfung gegen Corona.

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Schauen Sie sich den Beitrag von Jakob Maske auf YouTube an

Jakob Maske, Kinderarzt aus Berlin-Schöneberg und Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V. (bvkj), Landesverband Berlin, sprach über die direkten und indirekten gesundheitlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder- und Jugendliche in Berlin.

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Auf dem Podium diskutierten:

  • Dipl. med. Gudrun Widders, Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) und Leiterin des Gesundheitsamtes Berlin-Spandau
  • Rebecca Zeljar, Verband der Ersatzkassen e. V. - Landesverband Berlin
  • Dr. Nicolai Savaskan, Leiter des Gesundheitsamtes Berlin-Neukölln, Projekt „Interkulturelles Aufklärungsteam Neukölln“
  • Jakob Maske, Kinderarzt Berlin-Schöneberg, Pressesprecher d. Landesverbandes Berlin, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (bvkj)

Impfen - (K)eine leichte Entscheidung für Eltern?!

Um die Impfbereitschaft der Bevölkerung zu erhöhen, sei Aufklärung ein elementares Thema, so Gudrun Widders. Die Entscheidung der Eltern, ihr Kind gegen Corona impfen zu lassen, wurde durch die Medien sowie die unterschiedlichen Empfehlungen von STIKO und Politik beeinflusst. Das hat zu Irritation bei der Elternschaft geführt. Verunsicherung müsse frühzeitig erkannt und mit guter Aufklärung begegnet werden. Ziel sei es, in den Dialog mit den Familien zu treten, sie umfassend zu informieren und ihnen die Chance zur Klärung offener Fragen zu geben. Dieser Ansatz gelte nicht nur für die Impfung gegen Corona, sondern auch für die regulär empfohlenen Impfungen der STIKO bei dieser Altersgruppe, erläuterte Gudrun Widders.

„Es ist klar, dass bei einem Impfstoff, der ganz neu ist, Eltern und Jugendliche kritisch sind,“ machte Jakob Maske deutlich. Aus Sicht der Kinder- und Jugendärzt*innen sei es wichtig, eine neutrale Aufklärung und Beratung für Kinder, Jugendliche und deren Eltern zu gewährleisten. Vor- und Nachteile einer Impfung sowie einer Erkrankung müssten den Familien erklärt werden. Ganz klar sei, dass keiner gezwungen wird, sich impfen zu lassen. Eltern und Jugendliche müssten befähigt werden, eine bewusste Entscheidung zu treffen, sowohl für als auch gegen das Impfen.

Auch die Versicherungsträger stünden in der Verantwortung, eine transparente und niederschwellige Aufklärung für Ihre Versicherten anzubieten. Dabei arbeiten die Krankenkassen eng mit Akteuren wie dem RKI, der STIKO oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zusammen, berichtete Rebecca Zeljar. Neben der Aufklärung zu Präventionsleistungen sei die Vermittlung von Gesundheitskompetenz in Bildungseinrichtungen ein wichtiges Zukunftsthema. Die Corona-Pandemie hätte noch mal die Bedeutung der Gesundheitskompetenz als wichtigen Bestandteil der Bildung hervorgehoben.

Dr. Nicolai Savaskan forderte eine klare Zielmarke für Corona-Impfungen in den Bezirken, denn die Bevölkerung brauche Perspektiven, warum sich eine Impfung lohne. Beispielsweise könnten als Motivation nach Erreichen der Zielmarke die Corona-Schutzmaßnahmen gelockert werden. Um jene Menschen zu erreichen, die bisher noch nicht von einer Impfung überzeugt wurden, müssten Synergien zwischen der aufsuchenden Sozialen Arbeit und der Gesundheitskompetenzbildung geschaffen werden. Autoritäres Verhalten sei dabei nicht zielführend - Aufklären, Zuhören, Sympathie und Empathie seien der Schlüssel, um Vertrauen zu schaffen und die Impfbereitschaft zu erhöhen.

Mit einem starken Öffentlichen Gesundheitsdienst Krisen meistern.

Die Diskutierenden waren sich einig, dass die Institutionen des Gesundheitswesens in Zukunft widerstandsfähiger werden müssen, damit in krisenhaften Situationen zugehende und niedrigschwellige Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention nicht wegfallen. Auch müsse die interdisziplinäre Zusammenarbeit z. B. zwischen niedergelassenen Ärzteninnen und Ärzten und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) gestärkt werden. Beispielsweise könne der ÖGD Impfberatung und Impfaufklärung in spezifisch dafür geschaffenen Strukturen zusätzlich zu den niedergelassenen Ärzteninnen und Ärzte anbieten, erklärte Gudrun Widders.

Die Impfempfehlung für die 12 bis 17-Järigen, die von der Politik vor der Bewertung durch die STIKO ausgegeben wurde, wird vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte als falsches Signal empfunden. Dies habe zu Verunsicherung und Verwirrung bei den Jugendlichen und den Eltern geführt, so Jakob Maske.

Stimmen aus dem Publikum kritisieren, dass an Schulen während der Pandemie kaum aufsuchende Arbeit stattgefunden hat. Eltern und Lehrkräfte fühlten sich mit teils widersprüchlichen Informationen alleingelassen. Dr. Nicolai Savaskan führte dazu aus, dass der ÖGD in Zukunft mehr aufsuchende Arbeit z.B. in Form von Gesundheitslotsinnen und -lotsen in den Schulen und Quartieren umsetzen wolle. Bisher stünden aber noch zu wenige personelle Ressourcen und Sachmittel zur Verfügung.

Einschulungsuntersuchung nutzen, um Impflücken zu identifizieren?!

Gudrun Widders erklärte, dass die Einschulungsuntersuchungen (ESU) in der Pandemie nicht in allen Bezirken durch die Gesundheitsämter vollständig umsetzbar waren, da in der Regel ein Großteil des Personals des ÖGD für die Kontaktnachverfolgung gebraucht wurde. In diesem Jahr sei zu erwarten, dass die ESU wieder regelhaft durchgeführt werden.

Die Einschulungsuntersuchungen seien ein wichtiges Instrument, um den aktuellen Impfstand der regulär empfohlenen Impfungen bei Kindern und Jugendlichen zu prüfen und somit ggf. Impflücken zu identifizieren, so Jakob Maske. Dabei sei die Zusammenarbeit zwischen dem ÖGD und den niedergelassenen Ärzteninnen und Ärzten sehr wichtig und wertvoll.

Fazit

Das Gesundheitsforum hat die Herausforderungen, Schnittstellen und Synergien zwischen ÖGD, niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, Impfempfehlung der STIKO und der Politik deutlich gemacht. Gleichzeitig haben alle Akteure die Wichtigkeit der Zusammenarbeit für eine Pandemiebekämpfung in Berlin betont.

Die Teilnehmenden sind sich einig, dass das Impfen eine Schlüsselrolle zur Bekämpfung der Corona-Pandemie einnimmt. Durch transparente Kommunikation und eine umfassende Aufklärung kann dies gelingen. Zum Ausdruck gebracht wurde von den Diskutierenden, dass auf Kinder und Jugendliche und deren Familien kein negativer Druck ausgeübt werden darf, der zu Ausgrenzungen von Kindern führen könnte. In der Gesellschaft muss klar vermittelt werden, dass Kinder und Jugendliche am sozialen Leben teilnehmen dürfen und sollen, unabhängig vom Corona-Impfstatus. Augenmerk sollte jetzt auf eine hohe Impfquote unter den Erwachsenen gelegt werden, das dies auch zum Schutz der Kinder und Jugendlichen beiträgt.

 

Annemarie Klöckner & Marisa Elle

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